Interwiew mit Gert Lefèvre
Gert Lefèvre bezeichnet sich gerne als Jungpensionär – nicht weil er vorzeitig aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist, sondern weil er sich für diesen Schritt eigentlich trotz Erreichen der Altersgrenze für noch nicht alt genug hält. Er war bei verschiedenen Dienstherren in Rheinland-Pfalz und Hessen tätig, stets mit Innovations- und Aufbauprojekten betreut. Optimieren aber gleichzeitig völlig Neues zu gestalten, war dabei der Anspruch in die von ihm mitverantwortete Arbeit. Über die Jahre hat sich Gert Lefèvre zum Organisationsprofi und zum Kenner des Prozessmanagements entwickelt, lehrt dies seit vielen Jahren an der DHBW in Mannheim und hat frühzeitig ein zweites Standbein als Dozent in verschiedenen Bildungseinrichtungen für den öffentlichen Dienst ausgebaut. Die Gründungsideen zum KommunalCampus durfte er mitbegleiten und hatte in der Aufbauphase die Rolle eines Koordinators inne. Es ist selbstredend, dass er im KommunalCampus operativ sein Wissen weitergibt.
Tobias Wojtanowski: Herr Lefèvre, Sie waren in Ihrer bisherigen beruflichen Karriere in der Welt der Verwaltung auf zwei Seiten unterwegs: Als Beamter einer großen Kommune über einen langen Zeitraum, nun seit längerem als Dozent für genau dieses Publikum – stets zum Thema Digitalisierung der Verwaltung. Was hat sich seit Ihren Anfängen in diesem Bereich verändert? Und was waren und sind weiterhin die besonderen Herausforderungen für die Kommunen?
Gert Lefèvre: Mut ist wie Veränderung, nur früher. Digitale Visionen in einer Verwaltung zu haben und das zu einer Zeit, in dem das Zusammenhalten von Strukturen oberste Maxime ist, braucht Mut. Ich habe noch deutlich im Ohr „Sie mit Ihren Visionen“… und das war häufig nicht positiv gemeint. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mit jedem Karriereschritt und zunehmender Verantwortung und Treppchen auf der berühmten Leiter leichter wurde ein digitales Vorleben aufzuzeigen. Heute sind digitale Vordenker willkommen. Die Verwaltung hat erkannt, dass sie nicht nur aufholen muss, sondern dass sie eine Herkulesaufgabe zu erfüllen hat. Unsere digitale Gesellschaft fordert: Es sind nicht nur unsere Bürgerinnen und Bürger, es sind insbesondere kleine, mittlere und große Unternehmen, Intermediäre und Dienstleister, das ist der Landwirt ebenso wie der Existenzgründer. Wenn aus einem Bedarf ein Bedürfnis wird, dann ist es höchste Zeit für unsere Kommune, dass sie Digitalisierung zu Chefsache macht.
Tobias Wojtanowski: Sie waren im Bereich EGovernment tätig, dies bereits sehr früh, haben dadurch einiges an Umsetzungen von Projekten und Maßnahmen mitbekommen. Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Neuerungen bzw. Projekte der letzten Jahre, und auch jene, die noch kommen werden - die man in den Kommunen im Blick behalten sollte?
Gert Lefèvre: Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, ich war als Vertretung für meinen Chef in einem obersten Führungskreis. Ich konnte meine Klappe nicht halten und habe bei der Frage, warum sind wir beim eGovernment nicht dort, wo wir sein müssten, ein paar Schwachstellen benannt. Nach dieser Besprechung war ich eGovernmentbeauftragter dieser besagten pfälzischen Großstadt. Damals hat man noch händeringend nach integrierten, strategisch verknüpften und nachhaltigen Konzepten für das eGovernment gesucht. Die Strategien hatten sich zunächst darauf konzentriert, aus der Vielzahl der kommunalen Leistungen jene zu priorisieren, bei denen man schnelle Erfolge erzielt. Wir hatten den Mut einer externen Begleitung bei der Strategieentwicklung. Fraunhofer Fokus Berlin war uns hierbei ein sehr guter Partner. Parallel zu diesen Leuchtturmprojekten hatten wir mit unserer Beraterin eine Strategie gefahren, die sich zunächst auf die Digitalisierung der verwaltungsinternen Prozesse konzentriert hat. Wenn eine Verwaltung intern digital funktioniert, dann ist sie auch „ready“ für digitale Kundenprozesse. Die Bereitstellung einer elektronischen Akte im Kontext eines Dokumentenmanagementsystems ist hierfür elementare Voraussetzung. Damit ist der Onlinezugang lediglich eine logische Ergänzung. Damit sollte jede Verwaltung starten, denn was ist schlimmer, als ein digitaler Einstiegsprozess, der innerhalb der Verwaltung und bei der Beteiligung Dritter mit einem Medienbruch fortgesetzt wird.
Wichtige Zukunftsthemen für die Digitalisierung intern ist die Manifestierung explorativer Strukturen durch das richtige Personal, durch neue Rollen, die richtige organisatorische Verortung in der Aufbauorganisation und durch schnelle Entscheidungswege jenseits der bisherigen Silos. Für das Leistungsangebot an unsere Kunden sollten wir aufhören von „Verwaltung“ zu sprechen, sondern uns Smart Public Service nennen. Die Kunden verstehen diese Semantik besser als man annimmt. Smart Public Services kombinieren Datenmanagement mit Geoinformation, KI/AI und Sensorik. So entstehen Lösungen mit denen wir wieder den europäischen Anschluss finden können.
Tobias Wojtanowski: Der KommunalCampus hat sich innerhalb der Digitalisierung und Modernisierung die Weiterbildung der Verwaltungsangestellten auf die Fahne geschrieben: Für wie wichtig halten Sie diesen Aspekt der digitalen Entwicklung – und im Zuge dessen auch: Wie wichtig ist moderne Wissensvermittlung, wie unser Blended Learning Ansatz oder das gemeinsame Lernen im „virtuellen Raum“?
Gert Lefèvre: Das Konzept und die Struktur des KommunalCampus ist richtungsweisend, der Aufbau modern und unkompliziert. Es ist so leicht Partner zu werden. Die Bündelung der digitalen Bildung ist wichtiger denn je. Noch wichtiger ist zu verstehen, was der Kern digitaler Bildung ausmacht- es ist der Mut zur Veränderung, es ist das laterale Denken und die Fähigkeit zur Ideation. Es ist eine Kultur von „Können, Wollen, Dürfen und Sollen“ beim Vorantreiben der Transformation im zukünftigen Smart Public Service. Der virtuelle Raum ist inzwischen so normal, wie früher das Wartezimmer im Amt – es fehlen lediglich die negativen Begleiterscheinungen. An der DHBW praktizieren wir trotz Präsenz die Arbeit in virtuellen Kreativräumen. Jeder Studierende nutzt hierbei die Mobile Devices wie wir früher Bleistift und Formular. Die Erwachsenenbildung braucht eben genau diese Kultur. Insoweit macht es der KommunalCampus nicht nur vor wie es geht, sondern bietet das Konzept allen Verwaltungen (äh…Smart Public Services) an, die sich digital bewegen, oder gerade Anlauf nehmen.
Tobias Wojtanowski: Und unsere Abschlussfragen: Was würden Sie den Kommunen mit auf den Weg geben, die dem Beitritt zum KommunalCampus noch unentschlossen gegenüberstehen?
Gert Lefèvre: Eine gute Entscheidung basiert auf Wissen und nicht auf Zahlen. Ich kenne zwar den Kontext nicht, den Plato zu dieser Weisheit veranlasst hat. Er passt aber als Message für meine Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen. Wenn ich weiß, was meine Mitarbeitenden und meine Führungskräfte an digitaler Bildung brauchen und ich beim KommalCampus korrespondierende Angebot finde, was hält mich dann zurück? Man sieht sich!