Interwiew mit Falk Golinsky

Falk Golinsky ist Berater, Trainer, Agile Coach, Autor und Wegbegleiter aus Leidenschaft. Mit seiner langjährigen Erfahrung aus diversen Projekten und Vorhaben in der öffentlichen Verwaltung und in weiteren Non-Profit Organisationen unterstützt er Organisationen bei deren Entwicklung. Dabei fungiert er gern als Übersetzer der Methoden. Er liebt es, Sachverhalte so anzugehen, dass ein größtmöglicher Praxistransfer erreicht werden kann. Denn nur so macht es Spaß, sich mit einer großen Themenvielfalt auseinanderzusetzen und die Möglichkeiten von agilen Arbeitsweisen praxistauglich zu nutzen. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich unter anderem mit den Möglichkeiten die Zusammenarbeit und somit die Unternehmenskultur neu zu gestalten auf der Basis einer werteorientierten Kommunikation.

Tobias Wojtanowski: Herr Golinsky, Sie bieten im nächsten Jahr auf dem KommunalCampus die LernEinheit „Agiles Arbeiten in der Verwaltung – eine Chance für Entwicklung“ an – was erwartet den Teilnehmer hierbei?

Falk Golinsky: Agile Ansätze ermöglichen einer Organisation, einem Team, neue Wege in der Zusammenarbeit zu gehen. Es ist eine Chance für die gesamte Organisation, die Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und weitere Menschen zu ermutigen, unterschiedliche Rollen und Verantwortung zu übernehmen.
Durch agile Arbeitsweisen werden die Art und Weise der Zusammenarbeit infrage gestellt und neu definiert. Es gibt noch keine neu definierten Standards, weder für die Zusammenarbeit selbst noch für die Art und Weise von Führungen. Jedoch haben alle neuen Ansätze ein wichtiges zentrales Element: den Menschen.
Agilität selbst ist keine Methode, sondern eine Haltung. Umso wichtiger ist es, ein gemeinsames Verständnis von Agilität zu gewinnen und wie Agilität die Zusammenarbeit bereichern kann. Eine gute und werteorientierte Kommunikation ist die Basis, um Zusammenarbeit neu zu denken. Dazu wird Agilität durch verschiedene Techniken und Methoden unterstützt. Doch die Methoden allein machen nicht agil.
Im Wandel der Arbeitswelt ändern sich die Rollen. Der Teamgedanke und der förderliche Rahmen für die Menschen stehen immer mehr im Vordergrund der Zusammenarbeit. Agilität unterstützt all das.
In dem Kurs steigen wir in die wichtigsten Grundlagen zum Thema Agilität ein und entwickeln ein Verständnis dafür, was agiles Arbeiten in der Verwaltung bedeutet. Das ist die Basis, um situativ zu schauen, welche Ansätze bei der täglichen Arbeit weiterhelfen können. Die Teilnehmenden werden sich mit den agilen Prinzipien auseinandersetzen, die wichtigsten Begrifflichkeiten und deren Bedeutung kennenlernen und die ersten kleinen und leichten Techniken anwenden. Und das Beste ist, die Teilnehmenden benötigen kein Vorwissen, sondern nur die Offenheit sich auf neue Impulse einzulassen.


Tobias Wojtanowski: Agilität als Schlagwort ist längst nicht mehr nur ein Trend, sondern in fast allen Organisationen ein Begriff, der längst nicht mehr nur belächelt wird. Lassen sich denn auch starre Strukturen, wie es Verwaltungen klassischerweise sind, agil aufbrechen, oder gar durch agile Arbeitsformen optimieren? Und ist das überhaupt das Ziel von Agilität?

Falk Golinsky: Agilität hat nicht das Ziel Strukturen aufzubrechen, auch nicht in der Verwaltung. Agilität trägt dazu bei, den Handlungsspielraum und die Möglichkeiten zu erweitern. Oft scheitern Vorhaben daran, dass aktuelle Entwicklungen außer Acht gelassen oder Rückmeldungen nicht eingeholt werden. Das ist mit Agilität anders. In agilen Kontexten sind Rückmeldungen ein wichtiges Element, um auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Denn woher wollen wir wissen, ob unsere Lösung funktioniert, wenn wir nicht regelmäßig einen Realitätscheck vornehmen. Wir müssen den Endkunden unserer Lösung von Beginn an mit einbinden und diese Perspektive immer mitdenken. Dieser Ansatz ist längst in der Verwaltung angekommen. Das bedeutet, dass sich die Art und Weise der Zusammenarbeit weiterentwickeln muss und es auch bereits getan hat. Das hat viel mit der Einstellung der Menschen zu tun. Dazu gehört, dass Menschen die Möglichkeiten und nicht Ihre Position in den Vordergrund stellen. Verwaltungen haben eine große Bandbreite an Aufgaben. Agilität entfaltet seine Wirkung, wenn es komplex wird. Bei einfacheren Sachverhalten darf es auch ohne Agilität weitergehen. Die grundlegende Frage ist also nicht: „Agil oder nicht agil?“, sondern „Wo drückt der Schuh und was kann hier helfen?“. Das bedeutet, dass eine Verwaltung beidhändig unterwegs sein muss: klassisch und agil. Quasi stabil und flexibel zugleich. Damit kann ich gleich mit dem Mythos aufräumen, dass alles in einer Verwaltung agil sein muss. Muss es nicht und kann es auch nicht. Das ist übrigens in jeder Organisation der Fall. Viel Potenzial steckt in den Prozessen der Zusammenarbeit. Hier entfaltet Agilität seine Superkraft. Und daher finde ich, dass Agilität und Verwaltung sehr gut zusammenpassen.


Tobias Wojtanowski: Innerhalb des Forum Agile Verwaltung e. V. sind Sie Mitorganisator der Konferenz „Agile Verwaltung“, die sich gezielt an Verwaltungen richtet und den praxisorientierten Austausch untereinander fördert. Auch der KommunalCampus forciert mit den interkommunalen Lernräumen sowie den kommunenübergreifenden LernEinheiten den Austausch. Wie wichtig schätzen Sie das Netzwerken als solches ein und können Sie Beispiele nennen, wo sich Erfolge oder Projekte aus solch einem Austausch ergeben haben?

Falk Golinsky: Weiterentwicklung und Wachstum braucht Austausch und Dialog. Sicherlich ist es immer möglich etwas zu lernen, doch die Theorie ist das eine und die Praxis das andere. Das kennen wir alle. Daher ist es uns im Forum Agile Verwaltung e. V. so wichtig, den aktiven Austausch und die Vernetzung zu fördern. Das ist unser oberstes Ziel. Auf unseren Konferenzen treffen neugierige Menschen aufeinander und bringen unterschiedliche Erfahrungen mit. Wir bieten Verwaltungen eine Plattform, Ihre eigenen Erfahrungen vorzustellen und darüber in den Austausch zu gehen. Hier vermehrt sich das Wissen schon fast von allein. Wir schaffen damit einen Lernraum, wie es auch der KommunalCampus forciert. Sich gemeinsam einem Thema zu widmen, darüber zu diskutieren und unterschiedliche Sichtweisen und Ansätze kennenlernen sind nur einige der Benefits, die Lernräume wie Konferenzen und der KommunalCampus mitbringen. Diese Angebote können daher nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil sie wertvolle Impulse für die Entwicklung der Teilnehmenden und der Organisation mitbringen. Durch Netzwerke gemeinsam wachsen ist zum Beispiel ein sehr schöner Ansatz, der in der Region Hannover erfolgreich praktiziert wird. Gern denke ich auch an den Vortrag vom Bauhof Herrenberg aus dem Jahr 2020 zurück. Damals wurde vorgestellt, was sie vorhaben und wo der Weg hingehen könnte. Der Zuspruch und die Begeisterung waren sehr hoch. In der folgenden Zeit hat das Thema richtige Flügel bekommen. Heute, einige Jahre später ist der Bauhof Herrenberg eines der Leuchttürme was New Work und Agilität in der Verwaltung angeht. Es haben sich noch viel mehr Verwaltungen auf den Weg gemacht. Es sind mittlerweile mehr als gedacht. Und ich kann daher mit 100-prozentiger Überzeugung sagen, dass in den Verwaltungen jede Menge in Bewegung ist.


Tobias Wojtanowski: Nun sind Sie mit Agilität darin vertraut, Themen in Personenkreisen bekannt zu machen, die dort vorsichtig betrachtet werden. Für diese Personen aus Ihrer Sicht: Was überzeugt Sie selbst am Konzept des KommunalCampus – und was würden Sie Kommunen mitgeben, die einem Beitritt zur Genossenschaft noch unentschieden gegenüberstehen?

Falk Golinsky: Ich finde es wichtig, sich ein gutes Fundament an Wissen anzueignen. Auf diesem Wissen kann ich aufbauen und flexibel meine Erfahrungen anknüpfen. Uns allen fällt das Lernen oft leichter, wenn wir an etwas anknüpfen können. Das können eigene Erfahrungen oder Beispiele sein, die wir sehr gut nachvollziehen können. Daher braucht es dieses Wissen und die Erfahrungen, an denen Menschen aus Verwaltungen leicht anknüpfen können. Lebenslanges Lernen gehört zum Job dazu. Zu wachsen, ohne etwas zu lernen kann ich mir nicht vorstellen. In meinen vielen Jahren, in denen ich schon als Trainer und Coach unterwegs bin, kann ich immer wieder feststellen, dass sich Organisationen sehr positiv entwickeln, wenn die Menschen sich mit Freude weiterbilden können und auch dürfen. Das hilft jeder Organisation. Daher braucht es eine große Themenvielfalt und einen leichten Zugang zu Wissen. Und genau das ist es, was ich am KommunalCampus so schätze. Es sind genau die richtigen Themen, die in der aktuellen und schnelllebigen Zeit eine Rolle spielen. Auch die unterschiedlichen Formate bedienen, die unterschiedlichen Formen des Lernens, die unterschiedliche Generationen mitbringen und die vor allem zu Arbeitsalltag passen. Neben all dem finde, ich auch die Plattform selbst sehr gut und ansprechend. Ich glaube das sollte doch Grund genug sein, oder?


Tobias Wojtanowski: Herr Golinsky, vielen Dank für das Interview!