Interwiew mit Marco Brunzel


Marco Brunzel beschäftigt sich als Grenzgänger zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung seit über 20 Jahren mit technischen und organisatorischen Aspekten der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor. Als Bereichsleiter für Digitalisierung und E-Government bei der Metropolregion Rhein-Neckar hat er maßgeblich den KommunalCampus als Projekt initiiert und ist bis heute als Dozent und Lehrbeauftragter (u.a. an der Universität Speyer) Mitglied unseres Fachbeirats.

KommunalCampus: Herr Brunzel, Sie waren bei der Initiierung des KC beteiligt und sind noch direkt im KC involviert: Was ist für Sie das Besondere am Konzept des KC?

Brunzel: Die gewaltigen Transformationen, die vor uns liegen – im Bereich Digitalisierung, Klima, Fachkräfte, um nur drei zu nennen – sind für den öffentlichen Sektor Chance und Herausforderung zugleich. Es gilt die öffentliche Verwaltung als das grundlegendes „Betriebssystem unserer Gesellschaft“ neu zu denken und entsprechend umzubauen. Der KommunalCampus will diesen wichtigen Prozess unterstützen und hat sich zum Ziel gesetzt eine Art „Booking.com“ für qualitätsgesicherte Weiterbildungsinhalte zu werden. Dabei haben wir uns bewusst dafür entschieden, hochwertige Kurse und Weiterbildungsangebote sowohl aus dem öffentlichen Bereich (z.B. aus Hochschulen und Universitäten) mit den Angeboten privater Bildungsträger oder sogar Unternehmen zu kombinieren. Aus- und Weiterbildung ist als gesellschaftliche Aufgabe nur im Verbund von öffentlicher Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zu leisten.


KommunalCampus: Mit Ihrer langjährigen Erfahrung in der Digitalisierung der Verwaltung: Wie wichtig ist Weiterbildung „on the Job“ aktuell sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer – und wie wichtig wird sie noch werden?

Brunzel: Da lässt sich auf die demographische Entwicklung verweisen. Fast 1 Millionen Beschäftigte werden in den kommenden 10-12 Jahren den öffentlichen Sektor verlassen und es ist illusorisch diese Stellen neu zu besetzten. Gleichzeitig eröffnen die neuen IT-Architekturen sowie KI-Technologien gänzliche neue Formen und Dimensionen für Organisation sowie für eine höhere  Automation des Verwaltungshandelns im föderalen Mehrebenensystem. Erst in der Zusammenschau beider Entwicklungslinien wird deutlich welche Bedeutung der Weiterbildung im öffentlichen Sektor zukommt! Die Transformation der Verwaltung eröffnet für die Beschäftigten enorme Chancen, für die Weiterbildung und Vernetzung die entscheidenden Schlüssel sind.


KommunalCampus: Online-Angebote, Bildungsplattformen, Themen wie individuelle KI-Auswertungen für bessere Bildungsangebote oder künstliche Avatare als Dozenten: Die digitale Transformation macht riesige Schritte, auch in der Bildungswelt. Gibt es Entwicklungen, die Sie mit Spannung beobachten und die auch der KC im Blick haben sollte?

Brunzel: Selbstverständlich sind die Entwicklungen rund um ChatGPT sehr spannend – gerade auch für Menschen, die sich professionell mit der Vermittlung von Wissen beschäftigen. Diese Entwicklungen kommen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels für den öffentlichen Sektor genau zum richtigen Zeitpunkt. Aber die bessere Erschließung, Nutzung und Verknüpfung von Informationen löst nicht automatisch unsere gesellschaftlichen Herausforderungen. Nur durch die Entwicklung und Förderung von Kompetenzen können und müssen wir lernen, mit den neuen technischen Möglichkeiten neue Antworten für neue und/oder alte Herausforderungen zu finden. In diesem Sinne wird sich Bildung und Weiterbildung stark verändern, in Summe sogar an Bedeutung noch gewinnen.


KommunalCampus: Und was würden Sie den Kommunen und Kreisen raten, die dem KommunalCampus noch unentschlossen gegenüberstehen?

Brunzel: Da würde ich mal ganz frech antworten: Wer dem KommunalCampus noch unentschlossen gegenübersteht, muss ein Informationsdefizit haben, welches uns anspornen sollte, es abzustellen. (Lacht). Klar, haben alle neuen und innovativen Angebote und gerade auch plattformbasierte Geschäftsmodelle ein „Henne-Ei-Problem“. Daher stehen Bedarf und Angebot auch beim KommunalCampus aktuell noch nicht in einem optimalen Verhältnis. Aber der Ansatz und die Perspektive sind aus unserer Sicht überzeugend. Jede Kommune kann und sollte selbst mithelfen diese wichtige interkommunale Mission voranzubringen. Daher haben wir auch von Anfang an auf die Form einer Genossenschaft gesetzt. Aus unserer Sicht eine fundamentale Voraussetzung, für die Umsetzung unserer Vision: Dass in einigen Jahren fast jeder Beschäftigte im kommunalen Bereich hier seine persönliche Lernumgebung und seinen geschützten Bereich für die Vernetzung mit anderen Verwaltungen findet.